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„Die Berliner Erklärung hat was gebracht!“ In knallrotem Damen-Sakko steht Monika Schulz-Strelow zwischen elegant gekleideten Frauen, eingehakt bei Katarina Barley in der Französischen Botschaft in Berlin. Gefeiert wird der Weltfrauentag. Dass Barley, die geschäftsführende Familien- jetzt Bundesjustizministerin wird, findet die Frauenrechtlerin Schulze-Strelow klasse – wie überhaupt die Tatsache, dass am Kabinettstisch der Bundesregierung künftig sieben Frauen sitzen, immerhin eine mehr als in der letzten Großen Koalition.
„Das ist jetzt wirklich unser gemeinsames Anliegen: nicht immer zu schauen, was tut die Politik, was machen die Unternehmen, sondern was können wir Frauen selber tun. Und meine wichtige Frage bei allen Veranstaltungen ist immer an die Frauen: Habt Ihr heute Euch positiv über Frauen geäußert? Männer machen es ständig: Namedropping, und er steht im Raum und jeder weiß, der ist wichtig. Wenn uns das genauso gelingt, sind wir ein ganzes Stück weiter.“
Angela Merkel als Role Model
Schulz-Strelow ist Präsidentin und Mitbegründerin von „FidAR“, einer Initiative für einen höheren Frauenanteil in deutschen Aufsichtsräten. Die Einführung einer Frauenquote unter Schwarz-Rot in der letzten Legislaturperiode begrüßt die 68-Jährige deshalb selbstredend. Aber: Die Lobbyistin bleibt ungeduldig. Sie fordert mehr Fortschritte und mehr Vorbilder für eine wirkungsvolle Gleichstellungspolitik. Konkret adressiert Schulz-Strelow eine Person: Angela Merkel.
„Die Bundeskanzlerin ist begrenzt ein Role Model. Sie hat immer dann eingegriffen in der letzten Legislatur, wenn das Thema Gleichstellung zu kippen drohte, und dann hat sie’s zur Chefsache gemacht, und dann ging es. Und von daher ist sie schon eine unheimlich wichtige Person bei der Entwicklung der Gleichstellung.“
Angela Merkel selbst hat die Messlatte gesetzt, als sie vergangenen Sommer, kurz vor der Bundestagswahl versprach, im Falle ihrer Wiederwahl eine jüngere und zur Hälfte mit Frauen besetzte Regierungsmannschaft aufzustellen. So wird es nun am Mittwoch im Bundestag auch fast kommen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat dafür eine Erklärung: Frauen als Krisenmanagerinnen in politisch unruhigen Zeiten.
„Wo sind die Frauen ganz oben? Meistens, wenn es um Personal geht oder um schwierige Sachen. Das ist ja auch so ein bisschen bei der CDU jetzt gerade so. Es ist ganz schwierig: Also muss eine Frau Generalsekretärin werden. Bei der SPD: ganz schwierig! Also muss jetzt eine Frau Parteivorsitzende werden.“
Gesellschaftspolitisches Klima verändert sich
Frauen werden entweder unterschätzt – das geben männliche Spitzenpolitiker offen zu, wenn das Mikrofon aus ist. Oder es heißt: „Die kann das.“ Kaum ein Satz war im Zuge der Kabinettsbildung so oft zu hören in den letzten Wochen, als müsse die Kompetenz von – noch dazu jungen – Frauen bezweifelt werden. „Der kann das“ heißt es hingegen nie.
Jenseits der Stimmungslagen in den Parteien kommt hinzu: Das gesellschaftspolitische Klima verändert sich. Ausgerechnet Männer, die zudem sehr viel jünger sind als die 63-jährige deutsche Regierungschefin, setzen sich für mehr Gleichstellung ein: Justin Trudeau in Kanada hat sein Kabinett schon vor zweieinhalb Jahren mit 50 Prozent Frauen besetzt. Und Emmanuel Macron setzt sich in Frankreich an die Spitze der Bewegung. Stolz erklärt dessen Botschafterin Anne-Marie Descôte in Berlin:
„Staatspräsident Macron hat mit seinem Amtsantritt die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zu einer ‚grande cose national‘ erklärt, das heißt einer Priorität seiner Amtszeit.“
Mit Plakaten und in historischen Gewändern erinnern Frauen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) an die Wahlrechtsdemonstrationen der Suffragetten vor 100 Jahren (picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
Historisch und frauenpolitisch betrachtet ist 2018 ein wichtiges Jahr: Zum 100. Mal jährt sich die Einführung des Frauenwahlrechts. 2019 folgt das 70. Jubiläum des Grundgesetzes und damit die Festschreibung der Gleichberechtigung von Frau und Mann in Artikel 3. Prägend für die derzeitige Stimmungslage ist außerdem die Metoo-Debatte, die – wenn auch spät und leise – langsam ins Berliner Regierungsviertel vordringt. Zumindest, wenn es um Machtfragen zwischen den Geschlechtern geht.
Merkels Frauen- und Personalpolitik als Machtsicherung
Rein numerisch herrscht mit sieben Frauen und neun Männern nun fast Parität im neuen Bundeskabinett.
„Da hab ich gedacht, das ist eigentlich mal das Selbstverständlichste“, sagt Katrin Göring-Eckardt. Die Grüne, die wie Merkel eine ostdeutsche Protestantin ist, verhehlt ihre Sympathie für die Kanzlerin normalerweise nicht. Doch beim Thema Gleichstellung fällt ihr Urteil durchwachsen aus. Angela Merkels Frauen- und Personalpolitik folge rein pragmatischen Motiven: Erst gehe es um Machtsicherung, und dann um die Sache:
„Also erstens: Angela Merkel muss ja irgendwie den Übergang organisieren in ihrer Partei. Diejenige oder der muss jünger sein, die ja ganz offensichtlich mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Frau von der Leyen ist auch immer noch da und man sieht schon, dass die Union sich vorgenommen hat, das mit dem ‚weiblich‘ ernst zu nehmen.“
Zu wenig Frauen im Bundestag
Wirklich? Fragt man Dorothee Bär, neue Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt und CSU-Mitglied, klingt deutliche Selbstkritik durch. In einem Telefoninterview mit dem Bayerischen Rundfunk erklärt Bär:
„Ich gebe ganz offen zu, dass wir tatsächlich an dem Thema Frauen und auch Frauen in der CSU noch arbeiten müssen.“
Als einziger der drei Koalitionspartner entsendet die CSU keine Frau ins neue Kabinett, was Bär ganz grundsätzlich blöd findet, nicht aber im Hinblick auf ihre eigene Person. Dabei entzündete sich genau daran in den letzten Tagen eine kontroverse Diskussion: Das wichtige Thema Digitalisierung – abgeladen bei einer jungen Kollegin, die sich zwar mit 39 Staatsministerin nennen darf, protokollarisch aber nur den Rang einer Staatssekretärin hat.
„Es liegt halt auch daran, wir haben halt auch relativ wenige Bundestagsabgeordnete. Wir sind nur acht von 46 und es ist natürlich auch schon mal von der Grundlage her viel zu wenig.“
Doch das Problem zieht sich durch alle sieben Fraktionen. Noch nie in den letzten 20 Jahren saßen so wenige Frauen im Deutschen Bundestag wie in der aktuellen Legislaturperiode, die Quote liegt bei gerade einmal 30,7 Prozent. Bei den Unionsparteien liegt der Grund auf der Hand: Die CDU hat zwar eine Quotierung für ihre Listenkandidatinnen, doch die Liste zog nicht. Denn beide Schwesterparteien haben vergleichsweise viele Direktmandate gewonnen, für die sie aber kaum weibliche Kandidatinnen ins Rennen geschickt hatten. Die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, fordert deshalb ein Ende dieser Praxis, heißt, notfalls jenen Parteien ohne effektive Quote den Geldhahn zuzudrehen. Wir müssen darüber reden, sagt Widmann-Mauz, „ob Parteien, die dauerhaft den Anspruch, den auch das Grundgesetz ja ausdrückt, nämlich aktiv auf die Gleichstellung von Männern und Frauen hinzuwirken, nicht nachkommen, dann auch über die Parteienfinanzierung entsprechend zu sanktionieren.“
„Man gucke sich mal das Frauenbild der AfD an, da weiß man, dass wir echt was zu verteidigen und was weiterzuentwickeln haben“, sagt Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Also zu verteidigen gegenüber der AfD, die Quoten Quatsch finden und die das auch sehr vehement vertreten. Und das sieht man auch. Wenn man sich hier anschaut, wie viele Frauen in der AfD überhaupt in der Fraktion sind – ich weiß gar nicht, das sind etwa zehn Prozent oder so – was die für eine Rolle spielen – nämlich jenseits der Fraktionsvorsitzenden eigentlich keine. Und vor allem nicht als Frauen untereinander.“
Frauennetzwerke über Fraktionsgrenzen hinweg
Doch genau damit haben die übrigen Fraktionen im Bundestag gute Erfahrungen gemacht. Beispiel Frauenquote. Über Parteigrenzen hinweg zogen Frauen in der letzten Legislaturperiode an einem Strang, um gegen massive ideologische Widerstände ein Gesetz zur Quotierung von Frauen in deutschen Aufsichtsräten durchzusetzen. SPD-Fraktionsvize Eva Högl legt Wert darauf, dass die Zusammenarbeit nicht institutionalisiert ist. Aber der Zusammenhalt funktioniert auch so – und das bei sehr vielen Themen:
„Ja, das ist ein Netzwerk aus engagierten Frauenpolitikerinnen und -politikern. Und Rechtspolitikerinnen und -politikern. Und wir haben schon zusammengesessen zum Thema Frauenquote, zur Reform des Sexualstrafrechts. Wir haben die Köpfe zusammengesteckt bei der Frage Kinderehe, und das Netzwerk hat sich bewährt, und wir schaffen es, über die Fraktionsgrenzen hinweg, zu guten Regelungen zu kommen.“
Anders beim Streit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche: Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Debatte um den Paragrafen 219a zur Belastung für die neue große Koalition werden könnte – denn Union und SPD liegen bei diesem Thema weit auseinander.
Demonstration gegen den Paragrafen 219a (imago / Ipon)
Die scheidende Familienministerin Katarina Barley sieht auch beim Ausbau der Frauenquote noch Handlungsbedarf:
„Wir hätten da jetzt auch gerne noch mehr gemacht, ich mache keinen Hehl draus. Wir haben da jetzt vor allem was erreicht beim Öffentlichen Dienst, dass wir bis 2025 gleichberechtigte Teilhabe in den Leitungsfunktionen erreicht haben wollen. Wenn man fragt, was wollt Ihr denn eigentlich tun, um Frauen zu fördern, das sind dann die Unternehmen, die sagen: eigentlich nichts. Und dass wir das nicht so hinnehmen wollen und werden, und dass wir auch im Laufe der Legislaturperiode an dieser Stelle auch auf jeden Fall noch mal ansetzen wollen.“
Wollen und werden, und werden und wollen – die Lobbyistin Monika Schulz-Strelow, die für mehr Frauen in den Aufsichtsräten kämpft, ist enttäuscht vom neuen schwarz-roten Koalitionsvertrag: „Viele sagen, ja, wir haben doch das Gesetz mit der Quote. Aber dieses Gesetz gilt gerade einmal für 105 Unternehmen.“
Als wolle sie diesen Pragmatismus sofort aufgreifen, nutzt Katarina Barley ihre Rede zum Weltfrauentag sogleich für einen deutlichen Vorstoß: „Wenn immer nur das Frauenministerium die Frauenthemen bearbeitet, dann kommen wir nicht wirklich vorwärts. Wir brauchen diesen Gender-Blick in allen Ministerien in allen politischen Bereichen.“
„Ich will mich da nicht drauf verlassen, dass andere die Dinge, die uns selbst angehen, für uns regeln. Sondern wir wollen schon selbst für unsere Anliegen auch einstehen und kämpfen.“
Da ist sich die Christdemokratin Widmann-Mauz mit der Sozialdemokratin Barley einig.
Frauen blicken anders auf politische Themen
Und natürlich, sagt die CDU-Politikerin, die als neue Staatsministerin für Integration mit Sitz im Kanzleramt in die Bundesregierung einzieht, spiele es eine Rolle, ob Frauen oder Männer über politische Inhalte entscheiden. Beispiel: die Regelungen zum Wahlrecht, bei denen im Bundestag der Ständige Ausschuss ein wichtiges Wort mitredet.
„Wie muss eigentlich eine Wahlrechtsreform aussehen, damit wir mehr Frauen in unseren Parlamenten haben? Wenn dort nur Männer sitzen, ist das nicht automatisch gegeben, dass es zur Sprache kommt. Oder in der Gesundheitspolitik: Frauen reagieren anders auf medizinische Therapien, auf Arzneimittel als Männer. Oder lassen Sie mich aus dem Thema Steuerrecht ansprechen die Frage der Steuerklassen-Kombination. Wenn Frauen weit überwiegend in der Steuerklasse fünf sich befinden und davon aber über das Jahr in der Steuerlast die Männer, die stärker in der Steuerklasse drei sind, profitieren, warum sollen Männer das ansprechen? Also: Frauen müssen mit am Tisch sitzen, damit sie auch ihre Interessen sachgerecht einbringen können.“
Doch welche Rolle kommt der Frau, die höchstwahrscheinlich wieder an der Spitze der Bundesregierung stehen wird – dabei zu? Merkel, die früher despektierlich „Kohls Mädchen“ genannt worden ist, gehört heute zu den mächtigsten Politikern der Welt. Ihr Politikstil ist kein erkennbar weiblicher, unterscheidet sich aber von dem ihrer männlichen Vorgänger. Sie muss beispielsweise nicht laut werden, um sich durchzusetzen.
Merkels ambivalente Rolle
Als Kämpferin für Frauenrechte inszeniert sie sich selten. Im April 2017 wurde Merkel bei einer Veranstaltung im Vorfeld des G20-Gipfels gefragt, ob sie sich selbst als Feministin beschreiben würde. Bei der Antwort druckste sie herum:
„Ehrlich gesagt, möchte ich … (‚ja, ja‘ aus dem Publikum). Also, die Geschichte des Feminismus ist eine, bei der gibt es Gemeinsamkeiten mit mir und es gibt auch solche, wo ich sagen würde, da gibt es Unterschiede und ich möchte mich auch nicht mit einem Titel schmücken, den ich gar nicht habe.“
Mehr Frauen in Führungspositionen – wünscht sich auch die Kanzlerin (picture-alliance / dpa / Hannibal Hanschke)
Merkel hat sich auch beim Streit um die Frauenquote nie weit aus dem Fenster gelehnt, sondern versucht, zwischen Gegnern und Befürwortern zu vermitteln. Ist die CDU-Chefin also ein Vorbild für Frauen? Mit einem überzeugten ‚Ja‘ lässt sich diese Frage nicht beantworten. Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue Generalsekretärin der CDU, sieht die Parteichefin durchaus als Wegbereiterin für Frauen in politischen Spitzenämtern:
„Dass das ein Bild ist, von dem ich dann hoffe, dass es natürlich auch nachhaltend in der Wirkung bleibt und dass auch in einer Zeit nach Angela Merkel Frauen, ob das jetzt in der CDU ist, ob das in den anderen Parteien sind, eben auch genau diese Möglichkeiten haben und auch wahrnehmen.“
Verjüngung des Kabinetts – Politik für zukünftige Generationen
Doch das vierte Kabinett Merkel ist nicht nur weiblicher, es ist auch jünger. Forderungen, der nächsten Generation eine Chance und politische Verantwortung zu geben, waren aus allen drei Parteien laut geworden – aus SPD, CSU und CDU.
„Was wir jetzt brauchen, ist schon eine Mischung aus erfahrenen Politikerinnen und Politikern, aber auch neuen Gesichtern in der Bundesregierung, in der Bundestagsfraktion, aber auch in der Partei“, sagte der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak Anfang des Jahres. Die CDU-Chefin folgte diesem Ruf. Der jüngste CDU-Minister ist mit 37 Jahren Jens Spahn. Die Verjüngung trifft aber nicht nur die CDU, sondern auch die SPD. Nimmt man nun alle Ministerinnen und Minister zusammen ist das Kabinett Merkel IV – Stand heute – im Schnitt 51,2 Jahre alt. Das ist wesentlich jünger als das Kabinett 2013 am Tag seiner Vereidigung. Es geht aber nicht einfach um eine Verjüngung der Symbolik wegen, sondern auch um eine Politik, die die zukünftigen Generationen nicht aus dem Blick verliert.
„Ich bin im Augenblick die einzige, die das 60. Lebensjahr schon überschritten hat, alle anderen sind knapp oder sehr deutlich darunter. Mit diesem Team kann man jetzt auch die Aufgaben der Zukunft angehen: Und davon gibt es viele“, sagte Merkel bei der Vorstellung der CDU-Kabinettsmitglieder.
Wolfgang Gründinger ist Mitglied in der Stiftung Generationengerechtigkeit und hat unter anderem das Buch „Alte-Säcke-Politik“ geschrieben, in dem er für eine stärker auf die zukünftigen Generationen gerichtete Politik plädiert. Er meint, die Große Koalition der letzten vier Jahre habe eine Politik für die Generation der Babyboomer betrieben, also für diejenigen, die zwischen Mitte der 1950er bis Ende der 1960er geboren worden sind. Diese wolle keine Experimente, sondern ihre Ruhe:
„Nach den Wehen der Agenda 2010 wollten die Deutsche einfach nicht mehr mit Reformen gestresst werden. Und das hat man auch in den letzten vier Jahren gemerkt, wo einfach unglaublich große Rentenpakete verteilt worden sind, aber wir bei allem anderen, was die Zukunft angeht, bei Klimaschutz, bei Bildung, bei Digitalisierung auf der Stelle treten oder sogar Rückschritte machen.“
Rentenpolitik im Sinne der Jüngeren
Der 33-Jährige drückt damit offenbar das Gefühl einer Generation aus – unabhängig von Parteigrenzen. Auch dem jungen CDU-Politiker Philip Amthor fällt sofort ein Beispiel für seine eigene Partei ein:
„Wir sehen natürlich: Viele Projekte wie die Mütterrente, die natürlich durchaus beliebte Projekte waren und die auch für die CDU-Zentrale Wahlinhalte waren, sind natürlich solche, die sich jetzt nicht unbedingt als beste Lösung für künftige Generationen ausweisen.“
CDU-Politiker Philip Amthor plädiert für eine Politik für die zukünftigen Generationen (imago stock&people)
Amthor ist mit 25 Jahren einer der jüngsten Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Es ist seine erste Legislaturperiode, sein Anzug sitzt korrekt, im Revers ein Anstecker mit einer Deutschlandfahne. Nur bei genauerem Hinsehen fallen die silbernen Micky-Maus-Manschettenknöpfe auf. Das Thema Rente ist für ihn eines der zentralen, wenn es um die Belange der Jüngeren geht.
„Da wird in dieser Legislaturperiode einiges auf uns zukommen mit der Expertenkommission zum Thema Rente und da gilt es natürlich auch alle drei Säulen der Rente zu betrachten, nicht nur auf die gesetzliche Rente zu fokussieren, sondern auch zu sehen, wie geht es weiter mit Betriebsrenten, was machen wir mit der privaten Altersvorsorge. Und da ist es wichtig, die Lebenswirklichkeit auch der Jungen einzubringen.“
Auch andere junge Politiker teilen Amthors Eindruck. So wünscht sich die 26-jährige FDP-Politikerin Ria Schröder, dass Zukunftsthemen beherzter angegangen werden.
Dazu zählt die Digitalisierung, eine zukunftsfähige Mobilitätsstrategie, aber eben auch, dass die Politik sich um eine Rentenpolitik kümmert „von der eben nicht nur die Generation profitiert, die gerade in Rente ist, sondern die eben auch die nächste Generation mit einbezieht. Ich glaub, ich hab noch nie jemanden getroffen unter 40 der sagt, ja, meine Rente ist sicher.“
Junge Generation fühlt sich nicht repräsentiert
Die FDP-Politikerin hat im vergangenen September vergeblich für den Bundestag kandidiert. Schon seit vier Jahren engagiert sie sich bei den Jungen Liberalen, möchte im April deren Bundesvorsitzende werden. Dabei gehört sie einer Generation an, für die Parteien nicht mehr besonders attraktiv sind, weil sie sich nicht mehr vertreten fühlen. Laut einer Umfrage des Online-Institutes Civey vom Februar denken über 85 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, dass ihre Generation nicht oder eher nicht in der Politik repräsentiert wird. Bei den 30- bis 39-Jährigen sind es immerhin 80 Prozent. Ria Schröder möchte dem entgegenwirken. Gemeinsam mit vier anderen Jung-Politkern von CDU, SPD, Linken und Grünen hat sie Mitte Februar einen Aufruf in der Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlicht. „Jetzt sind wir dran“, war der Artikel überschrieben.
Aber können nur junge Menschen Politik für Junge machen? Nicht unbedingt, meint Schröder, aber man agiere doch häufig vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen:
„Deswegen, glaube ich, wenn das nicht passiert im Parlament, dann ist es wichtig, dass auch junge Leute da vertreten sind, weil die auch in vielen Punkten näher dran sind, an den Unis, an der beruflichen Ausbildung. Die wissen, wie es aussieht an deutschen Schulen und können deswegen auch leichter Vorschläge machen, was verbessert werden muss.“
Das neue, vierte Kabinett Merkel kann dafür nur ein Anfang sein. Dem gehören übrigens nur zwei Ostdeutsche an, mit der Kanzlerin und Familienministerin Franziska Giffey zwei Frauen. Damit schließt sich der Kreis.