Landesvorstand der CDU in Niedersachsen, 24./25. Januar 2020, Walsrode
Am 27. Januar begehen wir den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.
Er ist ein Tag der Ermahnung und Erinnerung sowie nie endender Verantwortung. Auschwitz ist gleichsam ein Symbol für ein unvorstellbares und unvergleichliches, von Menschenhand begangenes Verbrechen, für einen organisierten Massenmord an Millionen von Juden, politisch anders Denkenden und Minderheiten.
Die unauslöschliche historische Schuld der Schoah verpflichtet uns, alles zu tun, damit Rassismus Antisemitismus und Judenhass in jeglicher Form für immer geächtet und überwunden werden.
Als Deutsche stehen wir hier in einer besonderen Verantwortung. Es ist das aus der Erfahrung der Katastrophe des Nationalsozialismus formulierte Menschenbild unseres Grundgesetzes, welches uns zu einem ebensolchen Handeln verpflichtet. Wir wenden uns entschieden gegen jegliche Relativierung der nationalsozialistischen Verbrechen.
75 Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager sind wir als CDU in Niedersachsen dankbar für das an vielen Stellen neu und wieder erblühte jüdische Leben in Deutschland und in Niedersachsen. Wir wollen es fördern und verpflichten uns zu dessen wirksamem Schutz, wo es gefährdet, bedroht und angegriffen wird.
In Deutschland müssen sich der Staat und seine Bürgerinnen und Bürger schützend vor jeden Menschen stellen, der auf Grund seines Glaubens, seiner sexuellen Identität oder seiner Herkunft diskriminiert, angegriffen oder bedroht wird. Das gilt auch und gerade in den Sozialen Medien. Wir müssen aufstehen und entschieden überall dort widersprechen, wo antisemitische Stereotype, Vorurteile und Ressentiments bedient werden. Alle demokratischen Parteien stehen dabei in einer besonderen Verantwortung, der wir uns als CDU, gerade aufgrund unseres christlichen Menschenbildes, besonders stellen.
Eine große Herausforderung sind politische und religiöse Hassreden im Internet, die zunehmend auch antisemitisch geprägt sind. Sie haben nicht nur menschenverachtende und demokratiegefährdende Formen angenommen, sondern immer häufiger auch reale Gewalttaten zur Folge, wie den feigen Mord an Walter Lübcke oder den antisemitischen Anschlag in Halle. Sie rütteln nicht zuletzt an den Grundpfeilern unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, indem sie den politischen und gesellschaftlichen Diskurs vergiften.
Die wachsende Hasskriminalität, analog und im Netz, muss konsequent bekämpft und verfolgt werden. Dazu müssen Polizei und Verfassungsschutz die notwendigen Instrumente an die Hand gegeben werden. Die Justiz muss in die Lage versetzt werden, Straftaten mit politischem oder religiösem Hintergrund konsequent zu verfolgen. Dabei hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass das Strafrecht jüdischen Menschen ausreichend Schutz bietet – gerade auch im Internet. Noch bestehende Gesetzeslücken müssen zügig geschlossen werden.
Nicht allein im Internet, auch im Alltagsleben stoßen wir auf Antisemitismus. In Deutschland gilt nicht nur auf manchen Schulhöfen „Jude“ wieder als Schimpfwort, Kippa tragende Juden werden auf offener Straße angegriffen. Der aktuelle Antisemitismus speist sich im Wesentlichen aus drei Quellen. Neben Rechtsradikalen bedienen auch Teile der extremen politischen Linken und ebenso Mitglieder muslimisch-arabischer Gemeinschaften antisemitische Stereotype. Politik und Zivilgesellschaft sind aufgerufen, ohne falsche Rücksichtnahme die Hintergründe des aktuellen Antisemitismus und der religiös motivierten Hasskriminalität klar zu benennen, sich deutlich davon zu distanzieren und deren Ursachen ebenso entschieden zu bekämpfen.
Wir begrüßen, dass das Land Niedersachsen einen Antisemitismusbeauftragten benannt hat. Denn Staat, Politik und Verwaltung haben eine Vorbildfunktion bei der Antisemitismusprävention. Die Maßnahmen des Bundes und der Länder – insbesondere in der Bildungsarbeit, der Gedenkstättenarbeit und der Erinnerungskultur, der Arbeit von Polizei und Justiz sowie der Unterstützung des jüdischen Lebens in Deutschlands – können über die koordinierende Tätigkeit der Antisemitismusbeauftragten deutlich verbessert werden.
Eine lebendige Verantwortungs- und Erinnerungskultur ist Teil historisch-politischer Bildung und damit zugleich unverzichtbarer Gegenstand schulischen Lernens. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, wenn Schulen Gedenktage und den Besuch von Erinnerungsorten und Gedenkstätten in den Unterricht integrieren. Es muss selbstverständlich und gelebte Praxis werden, dass möglichst alle Schulen in Niedersachsen davon Gebrauch machen – auch und gerade in jenem Jahr, in dem sich die Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen zum fünfundsiebzigsten Mal jährt. Die Erinnerungsorte und Gedenkstätten leisten einen unverzichtbaren Beitrag für eine lebendige Verantwortungs- und Erinnerungskultur und damit auch für eine wirksame Antisemitismusprävention.
Juden fühlen sich nur an wenigen Orten auf der Welt wirklich sicher. Der Staat Israel gehört dazu. Er ist gegründet worden, um Juden endlich – nach dem entsetzlichen Holocaust – eine Heimat und zu geben. Doch keinem anderen Staat auf der Welt wird sein Existenzrecht von anderen Ländern so massiv und immer wieder in Frage gestellt, wie dem Staat Israel. Die Beziehungen Deutschlands zu Israel-feindlichen Staaten müssen vor diesem Hintergrund immer wieder neu auf den Prüfstand gestellt werden, um abzuwägen, ob diese Beziehungen im diplomatischen Interesse eine Verbesserung der Lage bewirken oder die Existenz Israels gefährden. Für eine sichere Existenz Israels einzutreten ist für Deutschland gerade aufgrund unserer jüngeren deutschen Geschichte eine ständige Verantwortung und nachdrückliche Verpflichtung zugleich.
Es ist Staatsräson!